Es wird ein Wiener Wein sein...

Dieses Kulturgut hat über die Jahrhunderte kein bisschen seines Charmes verloren

Mal ehrlich: Lässt sich ein Sonntagnachmittag in Wien schöner verbringen, als auszuschlafen, nach dem gemeinsamen Mittagessen einen ausgedehnten Spaziergang zu machen und dann das Wochenende bei einem traditionellen Heurigen mit einem - oder auch einem zweiten - Gläschen Wein und einer köstlichen Jause ausklingen zu lassen?

In der Bundeshauptstadt hat der Weinbau eine sehr lange Tradition und einen bedeutenden Stellenwert. Nicht nur die Stadtbevölkerung selbst schätzt dieses Kulturgut, auch für Besucher sind der Wein und der Heurige untrennbar mit der Donaumetropole verbunden. Für die einen gehören die rund 637 ha Rieden der Weinregion, die sich von Stammersdorf, Strebersdorf, Jedlersdorf, Nussdorf, Heiligenstadt, Grinzing, Sievering und Neustift am Walde bis Dornbach, Ottakring, Mauer und Oberlaa erstrecken, zum städtischen Alltag. Für die anderen verkörpern die Heurigen das "alte" Wien, wo es den Wein gibt, von dem man mittlerweile weltweit schwärmt. Das ist das Verdienst der 146 Wiener Weinbaubetriebe, die seit vielen Jahren ihr Können konsequent gesteigert und sich mit ihren Erzeugnissen einen hervorragenden Ruf in der Wein-"Welt" erworben haben. Sei es mit dem Grünen Veltliner, Rheinriesling, Weißburgunder und Chardonnay - mit 80% nehmen die Weißweine den Großteil ein - , oder mit Zweigelt, Blauer Burgunder und Cabernet Sauvignon, eine Sortenvielfalt, die durch die unterschiedlichen Böden und Witterungen möglich ist. Maßgeblich zur Bekanntheit beigetragen hat die Renaissance des "Wiener Gemischter Satz DAC", als traditionsreichster Spezialität des Wiener Weinbaues.

Aus der Vergangenheit in eine erfolgreiche Zukunft

"Für unseren Wiener Gemischten Satz darf nur Traubenmaterial aus Rieden verwendet werden, die im gleichnamigen Rebenverzeichnis eingetragen sind - mittlerweile sind es 178 ha. Es müssen mindestens drei verschiedene Rebsorten aus demselben Weingarten sein, die zeitgleich gelesen und verarbeitet werden müssen. Damit hat man die gesamte Vielfalt Wiens in einem Glas", erläutert Herbert Schilling, langjähriger Vorsitzender des Landesweinbauverbandes und selbst Winzer in Strebersdorf. Der Wiener Gemischter Satz hat auch DAC-Status (Districtus Austriae Controllatus), also eine Herkunftsbezeichnung für regionaltypische Qualitätsweine, die einem strengen Regelwerk auch bezüglich Zusammensetzung und Vinifikation unterliegt.

Wie fast alle seine Kollegen legt auch Herbert Schilling in seinem eigenen Weingarten auf der Südseite des Bisambergs größten Wert auf naturnahe Bewirtschaftung und höchste Qualität der Trauben sowie sorten- und regionaltypische Endprodukte. Weinbau bedeutet für viele Winzer in Wien eben ein großes Maß an "Handarbeit", die sich dann aber auch in der Weinqualität widerspiegelt.

Ursprünglichkeit seit mehr als 200 Jahren

Seinen Weinen die Einzigartigkeit des Nussbergs zu erhalten, ist auch das Ziel von Matthias Kierlinger, Spross einer "Hauerdynastie", deren Wurzeln bis 1787 zurückreichen. Er setzt auf Tradition - sein Motto: "wie der Vater, so der Sohn". In seinem Weingarten stehen ausschließlich althergebrachte Rebsorten, die Handlese ist obligatorisch, höchste Qualität der Mindestanspruch. Auch im Heurigenlokal legt Kierlinger größten Wert auf Authentizität und Ursprünglichkeit - die Gäste sollen "die Echtheit des Wiener Heurigen spüren". Daher werden nicht nur Eigenbauweine ausgeschenkt, auch die angebotenen Speisen beruhen auf Rezepten, die von einer Generation an die nächste weitergegeben werden.

Genuss und Geselligkeit auf höchstem Niveau

Genuss und Geselligkeit in gemütlicher, familiärer Atmosphäre sind die Kennzeichen von rund 100 Heurigen in der Bundeshauptstadt - erkennbar am Föhrenbusche vor dem Haus, an seiner Originalität, wo man sich als Gast "wie Zuhause" fühlt. Fast 50 von ihnen gehören dem Verein "Wiener Heurige" an und tragen das entsprechende Qualitätsgütesiegel.

Doch Weinbau ist schon lange keine Männerdomäne mehr, wie Katharina Klager aus Stammersdorf beweist. Die ehemalige Wiener Weinkönigin bewirtschaftet gemeinsam mit ihrer Familie am Fuße des Bisambergs etwa 5 ha Fläche, der naturbelassene Wein wird hauptsächlich im eigenen Buschenschank ausgeschenkt.

Über den großen Teich

Ein weiterer Wiener Spitzenwinzer ist Fritz Wieninger, der seit 1987 für die Weinproduktion am Familienbetrieb verantwortlich zeichnet. Er bewirtschaftet zwei Lagen - am Bisamberg und am Nußberg. Seit fast zehn Jahren setzt Wieninger auf eine "balanceorientierte, naturnahe Bewirtschaftung nach biodynamischen Richtlinien". Der Vertrieb läuft nicht nur über den familieneigenen Heurigen in der Stammersdorfer Straße und den Verkauf Ab Hof, sondern seit langem auch über Vermarktungskooperationen: Über "Tu felix Austria" erobern neun heimische Spitzenweingüter den deutschen Markt, mit "Premium Estates of Austria" wird, gemeinsam mit fünf anderen, der englischsprachige Raum in Angriff genommen. 30% seiner Weine liefert Wieninger mittlerweile in 29 Länder weltweit. So lernen nicht nur die Wienerinnen und Wiener den edlen Tropfen aus der "einzigen Hauptstadt mit Weinbau" kennen.

Die Änderung des Weinbaugesetzes zum Ende 2014 stellt sicher, dass die landschaftsprägenden Weinberge in und um Wien auch künftig bewirtschaftet werden müssen und dort keine andere Nutzung möglich ist. Der Weinbauverband sorgt mit seinen Veranstaltungen vom Frühjahr bis zum Winter, dass der Wein "in aller Munde bleibt". Doch egal, ob es der kleinste Weingarten Wiens am Schwarzenbergplatz ist, in dem alljährlich das Stadtoberhaupt höchstpersönlich zur Lese schreitet, oder einer der anderen zahlreichen Heurigen in Wien, mit dem Trinkgenuss und dem Gaumenschmaus in heimeliger Atmosphäre können wir alle für einige Stunden ganz wir selbst sein.